Mauricio Dias & Walter Riedweg
Vitrine in der Rosengasse: Simone
Zaugg
29. April bis zum 25. Juni 2000
Kunsthalle Palazzo Liestal
Di. - Fr. 14 - 18 Uhr; Sa.+ So. 13 - 17 Uhr
download Pressetext (rft/word)
Die Kunsthalle Palazzo präsentiert Videoinstallationen des Künstlerpaars
Dias & Riedweg, die im letzten
Jahr für die Biennale von Venedig und während eines Aufenthaltes
in Kairo (i. A. der Pro Helvetia) realisiert worden sind. Die Videoarbeiten
Tutti Veneziani, This is not Egypt und Mustafas Feast
sind den spezifischen Räumlichkeiten der Kunsthalle entsprechend
adaptiert worden. In einer Art Dokumentationsstelle sind zudem
ältere Arbeiten von Dias & Riedweg auf Videobändern zu sehen.
Tutti Veneziani
Die versinkende Stadt als Bühne fürs Leben
- Umkleideszenen und Todesgeschichten mit 36 Venezianern und Venezianerinnen
3 Kanal-Video-Installation Andante
und Projektion Umkleide-Szenen
Umkleide-Szenen
Während zwei Monaten vor der Biennale-Eröffnung
in Venedig haben Dias & Riedweg 36 "Venezianer" besucht.
Diese Personen haben sie an einem Moment des Tages, an dem sie sich umkleiden,
auf Video dokumentiert: Das Closet zu Hause oder die Garderobe am Arbeitsplatz
- Orte der Verwandlung, die alltägliche Kostümierung, das sich
An- und Umkleiden - werden zur Bühne der Stadt (der Welt), die es
zu betreten gilt. Die Passage vom Privaten in die Öffentlichkeit,
vom Individuellen in das Soziale, das Moment der Veränderung macht
die Intimität und die Fragilität dieses Rituales greifbar. Innen-
und Aussenwelten treffen sich wieder.
Morgendliches Anziehen, sportliches Umziehen und dazu
erzählen, wie sie gestorben sind der Gondoliere, der Frauenarzt
und die Augen-Chirurgin, der Pfarrer der Giudecca, eine Kuratorin und
eine Künstlerin, der Professore der Accademia und StudentInnen, der
Kommandant des Arsenale und der illegale senegalesische Taschen-Verkäufer,
der Vize-Bürgermeister und die Putzfrau der Biennale, der Rektor
der Universität und der Hotel-Portier, die 97 jährige Nonna
Gina und der Body-Buildingtrainer des Cannareggio..., alle erzählen,
wie sie gestorben sind.
Die Beschreibung des eigenen Todes als
fiktive Vergangenheit erlaubt es, auf die Gegenwart zurückzublicken
Gegenwart als eine Art Retrospektive.
Andante
Alle TeilnehmerInnen trafen sich am Ort der venezianischen
Ausstellung, in der Corderie im Arsenale. Im Mittelschiff ist zwischen
den Säulen eine Fläche von 7 Meter x 21 Meter markiert. Dies
ist der Bereich, den drei Kameras, welche in den Dachträgerbalken
montiert sind, abdecken. Die 36 TeilnehmerInnen schreiten in ihrem Tempo
über diese Aufnahmefläche. Immer wieder stehen sie aber still
und schauen nach oben, in die Kameras. So sieht man die archetypischen
Figuren der Gesellschaft ohne den Kontext, zu welchem ihre Kleider gehören
- der Pfarrer, der Kommandant, der Koch... - alle bewegen sich in einer
Art Totentanz auf einer neutralen Fläche.
Installation
Im Gegensatz zur Installation in Venedig,
wo die drei LCD Projektoren in jener Weise montiert wurden, dass die Bilder
senkrecht aus den Dachträgerbalken auf den Boden projiziert wurden,
und
zwar genau von den Punkten aus, wo die Kameras für die "Andante"-Szene
montiert waren, werden in der Kunsthalle Palazzo die drei aufeinanderfolgenden
Bilderwelten nahtlos an die Wand eines schmalen, dunklen Ganges projiziert.
Die Umziehszenen, die in Venedig in den
Seitenschiffen der Corderie als vier endlose Video-Projektionen zu sehen
waren, finden sich nun in einem separaten Raum als einzige Projektion
und mit deutschen Untertiteln versehen. Über ein Lautsprechersystem
ist die entsprechende "Todesgeschichte" im Raum der Umziehszenen,
aber auch im gangähnlichen Raum des "Andante" zu hören.
This is not Egypt
3 Kanal-Video-Installation, bestehend
aus 11 kurzen Video-Sketches, über die gegenseitige Wahrnehmung
von sogenannten westlichen und muslimischen
Kulturen
Freedom 1
Offene Wüstenlandschaft: Eine Frau
von Kopf bis Fuss mit schwarzen Schleiern und muslimischen Kleidern bedeckt,
nähert sich von einem schwarzen Punkt in der Tiefe der Wüste
den Betrachtern, bis ihre Augen den gesamten Bildschirm einnehmen. Sie
hebt ihr Kleid leicht an, kauert nieder. Ein nasser Fleck zeichnet sich
in den Sand. Sie steht wieder auf, dreht sich unverwandt ab und kehrt
zurück in die unendliche Wüstenlanschaft.
Reciprocal Curiosity
Die Kamera wurde auf einem Trottoir in
einer Strasse in Kairo fixiert. Niemand steht hinter der Kamera. Die Mehrheit
der Leute, die an der Linse vorbeilaufen, reagieren mit Neugier und schauen
in die Kamera, respektive in die Linse. Das so Gefilmte wurde in Slow
Motion bearbeitet und auf andere Weise sichtbar gemacht. Als Leitmotiv
findet sich eine Hand, die winkt, ein Bub, der mit seinem Kopf ins Bild
hüpft, in die Kamera hineinschauen möchte.
Language
Ein Interview mit einem Taxi-Chauffeur
in Kairo über die Benützung der Hupe als eigene Sprache im Verkehr
dieser grossen Stadt, auf welche Weise die unterschiedlichen Klänge
verschiedene Bedeutungen produzieren und somit eine Art Kommunikation
im Verkehr entsteht. Schliesslich fokussiert die Kamera einen etwa 10
jährigen Knaben, der mit der Hupe eines parkierten Autos spielt.
Freedom 2
Die schwarz gekleidete, verschleierte
Frau versucht trotz ihres störenden Schleiers in einen Apfel zu beissen.
Desire
Ein Mann, als Frau verkleidet, tanzt im Klang eines traditionellen
ägyptischen Liedes. Die Kamera, von oben auf den Tanzenden gerichtet,
folgt seinen sinnlichen Bewegungen. Er tanzt auf einer grünen Fläche.
Allmählich öffnet sich das Bild. Zu erblicken ist, dass der
Mann auf der Brust eines Uniformierten aus dem Militär, respektive
auf dem Bild eines Uniformierten tanzt. Die Kamera entfernt sich noch
mehr, das Bild öffnet sich ganz. Nun wird sichtbar, dass der Soldat
dasselbe Gesicht wie der Tanzende besitzt, der sich sinnlich und verführerisch
auf seiner eigenen Brust bewegt.
Freedom 3
Die verschleierte Frau läuft durch die Arkaden des
Innenhofes der Ibn El Touln Moschee, der ältesten Moschee von Kairo,
akustisch begleitet vom Spiel und dem Gelächter von Kindern im Schwimmbad.
Tourist
Die Kamera wurde auf den Kopf eines Kamels gebunden. Das
Kamel läuft in der Wüste bis zu den Giseh Pyramiden. Man sieht,
was (wir als) das Kamel auf seinem Weg wohl gesehen hat. Eine weitere,
zweite Kamera folgt der Promenade.
Pleasure
Ein Strassenverkäufer in Kairo zeigt Plastikpuppen,
wie sie in einem blauen Becken im Kreis schwimmen und sich nie berühren.
Zugleich sind am Fernsehen aufgezeichnete Bilder des Filmes "The
Love Street" aus den 50er Jahren zu sehen.
Beauty
Dargestellt sind die Einwohner Alexandrias, wie sie sich
während des Bayhran Festes ("Weihnachten" der Moslem) von
einem Strassenphotographen in traditionellen ägyptischen Kostümen
ablichten lassen, begleitet von Hochzeitsmusik und Feststimmung. Es folgt
eine Aufnahme aus der Vogelperspektive von einer Unzahl farbigen Schiffchen
auf dem Meer in Alexandrias Corniche.
Instructions
Die Kamera wurde in der U-Bahn-Station El Tahrir, mitten
in Kairo aufgebaut. In Ägypten ist es verboten, im öffentlichen
Raum Aufnahmen zu machen. Es dauert nicht lange, bis ein erster Mann daherkommt,
um die Aufnahme zu verbieten. Er ruft schliesslich die Polizei. Bei der
Anfrage an den Polizisten, weshalb keine Aufnahmen gemacht werden dürfen,
weiss er es nicht: es sind Instruktionen
Mustafas Feast
Videoprojektion
Das Schlachten eines Lammes während des traditionellen
Bayhran-Festes wird vom dreijährigen Mustafa erzählt. Video
und Stills illustrieren Passagen aus dem Alten Testament.
Simone Zaugg
In Eingängen untergehen
Vitrine in der Rosengasse, Liestal,
29. April-25. Juni 2000
Die Intervention in der Vitrine in der Rosengasse von
Simone Zaugg zeigt einen Vorhang mit dem Motiv eines Blicks in einen Raum
und zugleich eines Fensterausblicks (Tintenstrahldruck auf Textil). Der
in helles Blau getauchte verlassene Innenraum verweist zugleich auf einen
unbestimmbaren, evokativen Ausblick. Die Rückenfigur der in den Aussenraum
Schauenden ist die Figur der Künstlerin selbst, die sich auf eigensinnige
Art mit diesem in der Kunstgeschichte klassischen Thema auseinandersetzt.
"In Eingängen untergehen", so der Titel dieser Arbeit,
wurde dabei auf die samtene Vitrinenauslage niedergeschrieben.
|